Prüfungsschema für die allg. verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen der Rücknahme eines rechtswidrigen (bei rechtmäßigem nur Widerruf möglich) Verwaltungsaktes.
- Inhaltsverzeichnis
- Allgemeines
- Rechtmäßigkeit des Rücknahme-VAs
- Formelle Rechtmäßigkeit
- Zuständigkeit
- Verfahren, Form
- Materielle Rechtmäßigkeit
- Tatbestand
- Rechtswidrigkeit des Ausgangs-VAs
- Unterschiedliche Rücknahmevoraussetzungen für belastende und begünstigende VAe
- Frist
- Rechtsfolge: Ermessensentscheidung
- Weitergehende Ansprüche
Sind spezialgesetzliche Rücknahme-/ Widerrufsvorschriften einschlägig (z.B. § 45 WaffG), werden §§ 48 und 49 VwVfG durch jene verdrängt.
Allgemeines
Verwaltungsakte können aufgehoben (widerrufen oder zurückgenommen) werden:
Aufhebung
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Rücknahme, § 48 VwVfG
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Widerruf, § 49 VwVfG
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Rechtswidrige Verwaltungsakte sind nicht automatisch nichtig (Umkehrschluss aus § 43 III VwVfG). Sie müssen gesondert nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden.
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Rechtmäßige Verwaltungsakte können aufgrund des Bestandschutzes nur unter erhöhten Anforderungen nach § 49 VwVfG widerrufen werden. Aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses können auch rechtswidrige Verwaltungsakte unter diesen erhöhten Voraussetzungen widerrufen werden (z.B. wenn die Verwaltung irrtümlich von einem rechtmäßigen VA ausging).
VA
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Belastend
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Begünstigend
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Rechtswidrig
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Rücknahme, § 48 I 1 VwVfG (und Widerruf → Erst-Recht-Schluss)
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Rücknahme, § 48 I 2, II-IV VwVfG (und Widerruf → Erst-Recht-Schluss)
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Rechtmäßig
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Widerruf, § 49 I VwVfG
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Widerruf, § 49 II, III VwVfG
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Rechtmäßigkeit des Rücknahme-VAs
Es handelt sich bei Rücknahme und Widerruf jeweils um erneute, gesondert angreifbare Verwaltungsakte (actus contrarius-Theorie). Die Entscheidung hierüber liegt jeweils grds. im Ermessen der Behörde („kann“).
Formelle Rechtmäßigkeit
Zuständigkeit
Verfahren, Form
Siehe Schema Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 35 VwVfG).
Materielle Rechtmäßigkeit
Tatbestand
Rechtswidrigkeit des Ausgangs-VAs
Der Ausgangs-Verwaltungsakt muss rechtswidrig sein; siehe Schema Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (§ 35 VwVfG).
Unterschiedliche Rücknahmevoraussetzungen für belastende und begünstigende VAe
Belastender VA
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Begünstigender VA
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Nach § 48 I 1 VwVfG keine zusätzlichen Voraussetzungen
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Nach § 48 I 2 VwVfG Rücknahme nur unter zusätzlichen Voraussetzungen der § 48 II – IV VwVfG
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Leistungsgewährend begünst. VA
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Sonst. begünst. VA
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Nur zulässig, wenn kein Vertrauensschutz besteht, § 48 II 1 VwVfG
Klausurtipp: „Prüfung von hinten nach vorne“
- Zunächst Ausschlussgründe des § 48 II 3 VwVfG;
- dann Prüfung, ob Vertrauen tatsächlich vorlag (i.d.R. anzunehmen);
- dann Prüfung, ob individuelles Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig war (Regelvermutung des § 48 II 2 VwVfG beachten)
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Keine gesonderten Voraussetzungen
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Frist
Die Rücknahmefrist beträgt ein Jahr ab Kenntnisnahme der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Umständen (§ 48 IV 1 VwVfG). Die Behörde kann den VA auch darüber hinaus noch zurücknehmen, wenn dieser durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist (§ 48 IV 2 VwVfG).
Rechtsfolge: Ermessensentscheidung
Grundsätzlich steht die Rücknahme im Ermessen der Behörde („kann“), § 48 I 1 VwVfG.
Weitergehende Ansprüche
Belastender VA
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Begünstigender VA
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Keine zusätzliche Rechtsfolge in der VwVfG;
Ggf. separater Amtshaftungsanspruch (z.B. § 839 BGB,…)
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Leistungsgewährend begünst. VA
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Sonstiger begünst. VA
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Ggf. zusätzlicher Erstattungsanspruch der Behörde nach § 49a VwVfG
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Ggf. Ausgleichsanspruch gegen die Behörde nach § 48 III VwVfG
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