Prüfungsschema für die verwaltungsprozessrechtliche Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO [analog]) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten VAs (Anfechtungssituation) oder der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Unterlassung / Ablehnung eines VAs (Verpflichtungssituation).
Ziel der Fortsetzungsfeststellungsklage (häufig ‚FFK‘):
Siehe zum Finden der richtigen Verfahrensart auch die Übersicht: Verwaltungsprozessrechtliche Verfahrensarten.
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich nach § 40 I 1 VwGO. Sie wird hier gleich geprüft, wie bei den anderen verwaltungsprozessrechtlichen Verfahrensarten, für die § 40 I 1 VwGO Anwendung findet, auch. Siehe zu den recht knappen Ausführungen hier unter I. ausführlich das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, führt dies nicht zur Klageabweisung als unzulässig, sondern zu einer Verweisung an das zuständige Gericht (§§ 17a II GVG, 83 VwGO). Daher wird der Punkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs“ teilweise auch nicht unter „Zulässigkeit“, sondern – dann meist gemeinsam mit dem Punkt „Zuständiges Gericht“ – unter einem vorgezogenen Punkt „A. Entscheidungskompetenz des Gerichts“ geprüft. In der Klausur wählt man ohne Begründung eine der beiden vertretbaren Aufbauarten.
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn eine spezialgesetzliche aufdrängende Sonderzuweisung vorliegt (insb. § 32 WPflG; § 78 II ZDG i.V.m. § 32 WPflG; § 126 I BBG / § 54 I BeamtStG; §§ 46, 71 III DRiG; § 60 DRiG; § 45 BDG; § 82 SG; § 54 BAföG).
Liegt keine aufdrängende Sonderzuweisung vor (zuerst prüfen), richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO, wonach es sich um eine (a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit (b) nicht-verfassungsrechtlicher Art handeln muss, für die (c) keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben ist.
Prüfungspunkt dient der Abgrenzung zum Privatrecht.
Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen bzw. verpflichten (h.M. Modifizierte Subjektstheorie / Sonderrechtstheorie; a.A. Subordinationstheorie; a.A. Interessentheorie).
Nur dann, wenn die Frage nicht nach der modifizierten Subjektstheorie beantwortet werden kann, ist auf die anderen beiden Abgrenzungstheorien einzugehen. Ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Jeweils ausführlich hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Eine Streitigkeit ist nur dann verfassungsrechtlicher Art, wenn die sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gegeben ist:
Es darf keine abdrängende Sonderzuweisung - durch Vorschriften, die ein anderes Gericht für zuständig erklären - vorliegen (z.B. § 51 SGG; § 33 FGO; § 40 II 1 VwGO; Art. 14 III 4 GG; Art. 34 S. 3 GG; § 217 I 4 BauGB; § 49 VI 3 VwVfG; Art. 104 II 1 GG i.V.m. Polizeigesetz des Landes wie z.B. Art. 18 II 1 BayPA / § 31 II Berl ASOG; letztlich insb. § 23 EGGVG für ‚Strafrechtspflege‘ = Repressive Tätigkeit / Strafverfolgung).
Siehe jeweils hierzu das Schema Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO).
Ist Gegenstand der Klage ein VA i.S.d. § 35 VwVfG und wurde dieser erlassen (Anfechtungsklage) oder abgelehnt / unterlassen (Verpflichtungsklage)?
Erledigung eines VAs = Wenn eine etwaige Aufhebung nachträglich sinnlos geworden oder nicht mehr möglich ist, insb. wenn der VA die ihm ursprünglich innewohnende rechtliche Wirkung oder Steuerungsfunktion verloren hat
Beispiele für Erledigung (siehe § 43 II VwVfG):
Erledigung einer Ablehnung / Unterlassung eines VAs = Wenn ein etwaiger Erlass nachträglich sinnlos geworden oder nicht mehr möglich ist
Die FFK ist gem. § 113 I 4 VwGO (direkt) statthaft, wenn sich ein Verwaltungsakt im Falle einer statthaften Anfechtungsklage ‚vorher‘ erledigt hat. ‚Vorher‘ wird dabei von der h.M. aufgrund der systematischen Stellung des § 113 I 4 VwGO im 10. Abschnitt (Urteile und andere Entscheidungen) ausgelegt als: nach Klageerhebung und vor dem Urteil.
Bei Erledigung des VAs vor Klageerhebung sowie in Fällen der Verpflichtungsklage bei Erledigung vor oder nach Klageerhebung wendet die h.M. § 113 I 4 VwGO (doppelt) analog an.
Dies ergibt nachfolgende Fallkonstellationen:
Ursprünglich statthafte Klageart |
z.B. Behörde B verpflichtet den A ohne Rechtsgrund zum Abriss seiner Gartenhütte |
z.B. Behörde B lehnt die von A beantragte Erlaubnis zum Glühweinausschank an seiner Gartenhütte trotz Vorliegen aller Voraussetzungen ab |
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Erledigung |
z.B. Gartenhütte brennt nach Blitzeinschlag ab |
z.B. Gartenhütte brennt nach Blitzeinschlag ab. |
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Zeitpunkt der Erledigung |
Nach |
Vor |
Nach |
Vor |
Norm |
§ 113 I 4 VwGO (direkt) |
h.M.: § 113 I 4 VwGO analog e.A.: § 43 I VwGO (Feststellungsklage) Siehe Problembox unten. |
§ 113 I 4 VwGO analog |
§ 113 I 4 VwGO doppelt analog |
Besteht eine planwidrige Regelungslücke im Falle der Erledigung vor Klageerhebung?
Für den spezifischen Fall der Erledigung eines rechtswidrigen VAs (Anfechtungsklage) vor Klageerhebung ist strittig, ob eine – für eine analoge Anwendung des § 113 I 4 VwGO erforderliche – planwidrige Regelungslücke vorliegt, oder ob auf § 43 I VwGO (allg. Feststellungsklage) zurückgegriffen werden kann.
Nach h.M. handelt es sich in jedem Fall um eine ‚Fortsetzungsfeststellungsklage‘, die nur jeweils unterschiedlich normativ verankert wird. Das Erfordernis einzelner Sachentscheidungsvoraussetzungen (Frist, Vorverfahren) sollte nach h.M. für jeden Prüfungspunkt separat anhand juristischer Auslegung beurteilt werden (s. dazu unten) und hängt nicht pauschal an der normativen Verankerung in § 43 I oder 113 I 4 VwGO, sodass der Streit knapp abgehandelt werden sollte (str.).
(pro) Systematik: VwGO trennt systematisch zwischen Rechtsbehelfen mit VA-Bezug (wie FFK) und sonstigen Rechtsbehelfen (wie der allg. Feststellungsklage); Telos: Sonst hinge die statthafte Klageart von Zufälligkeiten (Erledigung vor oder nach Klageerhebung) ab.
Die Unterteilung in besondere und allgemeine (s.u.) Sachentscheidungsvoraussetzungen soll helfen zu verstehen, was nur bei der FFK und was bei jeder verwaltungsrechtlichen Klage zu prüfen ist. Sie kann auch weggelassen werden.
§ 114 I 4 VwGO erfordert, dass „der Kläger ein berechtigtes Interesse“ an der Feststellung hat.
Wiederholungsgefahr
Die Fortsetzungsfeststellungklage ist statthaft, als Fortsetzung des hypothetischen Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehrens. Daher sind nach h.M. grds. auch die jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen der ursprünglich erhobenen Gestaltungsklage zu erforderlich (die h.M. wendet diese direkt an, wenn § 113 I 4 VwGO direkt anwendbar ist und in den anderen Fällen analog):
Siehe zu den hier knappen Ausführungen ausführlich, je nach Konstellation, das Schema für die Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) oder die Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 VwGO).
Mögliche Rechtsverletzung = Diese ist nicht von vornherein und unter jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (Möglichkeitstheorie)
In manchen Bundesländern (z.B. Bayern) wird dieser Punkt als „Passivlegitimation“ zu Beginn der Begründetheit geprüft.
Klagegegner ist...
Nach der h.M. bleibt die Klage auch nach Umstellung in eine FFK ihrer Natur nach Anfechtungs- / Verpflichtungsklage und teilt damit grds. deren Erfordernis eines Vorverfahrens. Hat der Kläger die Widerspruchsfrist versäumt, kann aus einer unzulässigen Anfechtungsklage später nicht zufälligerweise durch Erledigung eine zulässige FFK werden. Das Widerspruchsverfahren ist daher grds. erforderlich.
Zeitpunkt der Erledigung |
Nach |
Vor |
Widerspruchs-verfahren |
(+) Widerspruchsverf. erforderlich |
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Strittig ist, ob ein Widerspruchsverf. noch sinnvoll ist und in Gänze durchlaufen werden muss, wenn Erledigung vor Klageerhebung innerhalb der Widerspruchsfrist der während des laufenden Verfahrens eintritt.
Erfordernis eines Widerspruchsverf. bei Erledigung innerhalb der Widerspruchsfrist oder während des laufenden Verfahrens
Auf die Frage, ob das Widerspruchsverfahren grds. erforderlich ist sollte nur ausführlich eingegangen werden, wenn es nicht ohnehin unstatthaft / entbehrlich ist – insb. weil das Landesrecht dies anordnet (§ 68 I 2 HS 1 VwGO; siehe dazu ausführlich das Schema Widerspruchsverfahren / Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO):
Bei Erledigung nach Klageerhebung gilt nach h.M. die reguläre Monatsfrist des § 74 I VwGO. Hat der Kläger die Klagefrist versäumt, kann aus einer unzulässigen Anfechtungsklage später nicht zufälligerweise durch Erledigung eine zulässige FFK werden.
Strittig ist, ob die Klagefrist noch sinnvoll ist, wenn Erledigung vor Klageerhebung und innerhalb der Widerspruchsfrist oder während des Vorverfahrens eintritt.
Zeitpunkt der Erledigung |
Nach |
Vor |
Frist |
Normale Monatsfrist des § 74 I VwGO (i.d.R. unproblematisch, wenn Klage bereits erhoben wurde) |
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Klagefrist bei Erledigung vor Klageerhebung innerhalb der Widerspruchsfrist oder während des laufenden Verfahrens
Siehe Schema Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO).
Siehe Schema Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO).
Siehe Schema Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO).
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis = Dem Kläger steht kein einfacherer und schnellerer Weg zur Verfügung, um sein Ziel zu erreichen und der angestrebte Rechtsschutz ist für ihn nicht nutzlos.
Nach Ansicht des BVerwG bei Erledigung vor Klageerhebung keine Frist (s.o.), aber das Rechtsschutzbedürfnis entfällt (Verwirkung), wenn der Kläger bei ursprünglicher Anfechtungsklage den VA bzw. bei ursprünglicher Verpflichtungsklage einen etwaigen Ablehnungsbescheid vor Erledigung bestandskräftig werden ließ – die Klagefrist also bei Erledigung bereits abgelaufen war.
Die FFK führt die ursprüngliche Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage fort, sodass deren (ursprüngliche) Begründetheit geprüft wird. Siehe zu den hier recht knappen Formulierungen daher ausführlich mit weiteren Unterpunkten die Schemata Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1 VwGO) und Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 Var. 1 / 2 VwGO).
Bei ursprünglicher Anfechtungsklage: Die FFK ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde.
Bei ursprünglicher Verpflichtungsklage: Die FFK ist begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde.
Beachte, dass in einigen Bundesländern die Passivlegitimation in der Begründetheit geprüft wird (z.B. Bayern) und somit in den Obersatz mit aufgenommen werden muss.